Ilse Rau LIBELLE VERLAG - ILSE RAU - MEINE MARA-JAHRE
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Eine berührend erzählte Selbstvergewisserung

Verfolgung. Flucht. Fremde. Und ein geglückter Neuanfang
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Ilse Rau, Meine Mara-Jahre




Das Buch
Eine Elfjähige, deren Mutter eine Flucht aus Deutschland über die grüne Grenze nach Belgien organisiert hat. Mit der Hilfe von Schleusern, bei Nacht und Regen. In der Fluchtnacht werden Mutter und Tochter durch einen Unfall getrennt, eine Ungewissheit für Monate. Das war 1939.
Die protestantische Mutter hatte sich wenige Jahre zuvor in ihrer Heimatstadt Chemnitz geweigert, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen. Nach dessen Tod und der Enteignung des Familienunternehmens bewiesen die Arbeiter ihre Dankbarkeit, indem sie die Tochter über zwei Jahre hinweg abwechselnd in ihre Familien aufnahmen. Danach musste Mara mit ihrer Mutter ins «Judenhaus», dass ihre einstigen Spielkameraden sich von ihr abwandten, hatte sie ab 1933 bereits erlebt.
Ab 1940 überstehen Mutter und Tochter als Flüchtlinge in Brüssel die Kriegszeit. Mit allen Listen, die es gegenüber Behörden und bald auch den deutschen Besatzern braucht. Mara durchläuft eine verkürzte Schulzeit. Und sie verliebt sich als Fünfzehnjährige in den jungen unglücklichen Besatzungssoldaten Walter.
In ihrem aufbrechenden Lebenselan nach Kriegsende wird der jungen Frau klar, dass sie sich trotz aller Verluste nicht als Opfer definieren will. Sie arbeitet heftig auf den Schulabschluss und ein Medizinstudium hin. Die Musikbegeisterte begegnet Yehudi Menuhin und lernt bei ihrer Arbeit als Model auch Coco Chanel kennen.
Für einen ganz anderen Neuanfang entscheidet sie sich, als ihr der Briefkonstakt zu dem in englischer Gefangenschaft verbliebenen Walter gelingt. 1947 kann sie ihm bei einem internationalen Jugendtreffen in Titisee wieder begegnen. Ihre Rückkehr nach Deutschland wird mit der Hochzeit endgültig.

Die Autorin
Ilse Rau (1928-2016) wurde in Chemnitz geboren. Sie erlebte dort die kurzen Jahre einer glücklichen Kindheit, die ab 1933 abrupt zu Ende gingen. Nach der Enteignung des Familienbetriebs (»Arisierung«) starb ihr jüdischer Vater Hugo Benda. 1939 organisierte ihre protestantische Mutter Vicky die gemeinsame Flucht nach Belgien.
In Brüssel meisterte die begabte Heranwachsende ab 1940 die neue Zweisprachigkeit und erfuhr groüzügige Förderung durch belgische Lehrerinnen. Als Zwanzigjährige kehrte sie nach Deutschland zurück, um Walter Rau zu heiraten, den sie als Besatzungssoldaten in Belgien kennengelernt hatte. In Tübingen wurde Ilse Rau Mutter von neun Kindern.
Ab 1966 arbeitet sie an der ökumenischen Beratungsstelle in Tübingen und setzte ihre psychologischen Studien fort.
1980 verlässt sie die Stadt und eröffnet in Nürnberg im Rahmen einer Praxisgemeinschaft mit Guido Groeger ihre eigene psychotherapeutische Praxis. 1986 ziehen beide nach Konstanz.
Ab 2010 bis zu ihrem Tod im Dezember 2016 lebte Ilse Rau wieder in Tübingen. Dort begann sie für ihre Kinder und ihren grossen Freundeskreis ihre Erinnerungen aufzuschreiben: wie sie Angst und Gefährdungen ihrer Jugend mit ihrem Glücksverlangen überwinden konnte.


Textauszug
Der Lotse geht einige Schritte voraus und trägt den Koffer der »Omadame«, die sich bei Vicky einhängt. Vicky trägt mit der freien Hand ihren eigene Koffer. Mara wird mit Winken bedeutet, sich dicht hinter den beiden zu halten, ja nicht zurück zu bleiben.
Unablässig strömt der Regen, überdeckt das Geräusch ihrer Schritte. Manchmal erschreckt das Auffliegen eines Vogels die Flüchtenden. Ein lautlos kreisender Scheinwerfer wirft in regelmäßigen Abständen Strahlenblitze ins Unterholz.
Von Zeit zu Zeit bleibt der Trupp stehen und horcht in die Nacht: kein verdächtiger Laut. ... Wie lange sind sie wohl schon unterwegs? Im Dunkel verliert sich die Zeit.
Plötzlich gibt etwas unter Maras Füßen nach. Zweige knacken, sie strauchelt, lässt den kleinen Koffer los, rutscht in eine Tiefe. Sie merkt, dass sie in einem Wasserloch steht und ihre Füße immer tiefer in den Schlamm sinken.
Gelähmt, hilflos, mit verklebtem Mund steht sie in dem Loch. Vor Schreck pinkelt sie, spürt das körperwarme Nass und um sich die Kälte von Regenwasser und Schlamm. Sie darf nicht rufen, um die Anderen nicht zu gefährden. Sie zittert am ganzen Körper. Wie lange sie so verharrt, weiß sie nicht.
Aus dem Dunkel trifft sie Mamis Schrei: »Mara! Wo bist du, Mara!!« Dann eine barsche Männerstimme – und wieder Mamis verzweifelter Schrei: »Ma-a-a-ra!!«

Plötzlich wird es scheinwerferhell um sie herum. Befehle werden laut, eine Autotür wird zugeschlagen, ein Motor heult auf, im Schlamm durchdrehende Räder, ein Lärm, der sich rasch in der Ferne verliert.
Dann nähern sich Stimmen, sie hört Kommandos und der grelle Schein von Taschenlampen trifft Mara in ihrem Schlammloch. Uniformierte Gstalten, Gewehre, bellende Hunde. Bis einer der Männer ungläubig auflacht: »Da ist ja ein Kind drin! Ach du liebe Neune! Ein Mädel! Und den Mund ham’se ihr verklebt!«
Die Hunde werden zurück genommen. Die Männer machen sich daran, Mara aus ihrem Gefängnis herauszuziehen, doch der Schlamm hält ihre Füße in den Stiefeln fest.
Maras Blick trifft die Augen von einem der Hunde, er hält ihren Blick fest. Ihr ist, als ob zwischen ihr und dem Hund eine Abmachung gelte. Der Hundeführer gibt Leine nach, das große, kräftige Tier kommt zum Rand der Grube und stemmt die Vorderpfoten fest in den aufgeweichten Boden. Die Männer stehen schweigend und schauen auf Mara. Die löst sich schwerfällig aus ihrer Erstarrung, legt dem Hund – immer noch Auge in Auge – die Arme um den Nacken, der Hund sucht Halt mit den Hinterpfoten während seine Zunge Maras Gesicht ableckt. Dann greifen die Männer nach ihr und holen sie mit einem rhythmischen »1 …2 …und 3!« aus dem Schlamm – ohne Schuhe.

Stimmen aus dem Feuilleton

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