Deutscher Krimi-Preis
(Platz 1) und nominiert für den Glauser 2001
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Ulrich Ritzel: Schwemmholz

Ralf Koss in: Handelsblatt, 9. Februar 2001

Wenn's beim Klüngel kräftig klingelt

Ulrich Ritzel schickt seinen Kommissar in den lokalen Filz von Politik und Wirtschaft

In Ulm und um Ulm herum ist einiges los. Am Anfang steht ein Brandanschlag auf den Wohncontainer einer Baustelle, für die eine italienische Firma den Zuschlag erhalten hatte. Zwei Rechtsradikale werden verhaftet, doch vor Gericht freigesprochen. Kommissar Berndorf muss weiter ermitteln. Die Vorgesetzten sprechen von Mafia. Alles sehrverwickelt, bis hinein in die beste Ulmer Gesellschaft.

»Schwemmholz« heißt der neue Roman von Ulrich Ritzel, der zweite mit der Figur des Kommissars Berndorf. Parallel zur Krimihandlung erzählt Ritzel, wie ein junger Ulmer Bauunternehmer versucht, das Zuteilungskartell für Bauaufträge der Stadt aufzubrechen.

Ritzel erzählt, was passiert, wenn ein Außenseiter den Klüngel stört. Weil jemand ein größeres Stück vom Kuchen haben will, als die alteingesessene Lokalprominenz zugesteht, ist plötzlich das einvernehmliche Geben und Nehmen außer Kraft.

Geschickt verknüpft Ritzel die Binnensicht von verfilzter Politik und Wirtschaft mit einer Krimihandlung. Dabei ist sein Roman komplex angelegt, spinnt vielleicht sogar manchen Handlungsfaden zu viel. Seine Erzählweise mit schnellen Schnitten und ständigem Perspektivwechsel erfordert jedenfalls Konzentration und macht es einem nicht leicht, die vielen Personen der Handlung zu behalten.

Die Abhängigkeiten von Politik und Wirtschaft kennt der 60-jährige Ulrich Ritzel aus seinem Beruf. Er arbeitete 35 Jahre lange als Journalist, bekam den Wächter-Preis, war Gerichtsreporter und Chefreporter in Ulm, ehe er den ersten Berndorf-Roman schrieb: »Der Schatten des Schwans«. Darin erzählt er, wie die Nazi-Vergangenheit einen erfolgreichen Pharmakologen im hohen Alter einholt; es geht um Menschenversuche und Psychopharmaka.

Ritzels Romane überzeugen nicht nur durch seine Plots. Er schafft auch eine dichte Atmosphäre und gestaltet seine Figuren sehr lebendig. Sein Kommissar Berndorf ist ein Mann um die Sechzig, er ist es leid, dass Kollegen

und Vorgesetzte aus Karrieregründen taktieren und ihm die Arbeit erschweren. Ein eigenwilliger Mann, der Montaigne und Lichtenberg liest, der lange mit einer Frau zusammen lebt, aber nicht zusammen wohnt.

Eine originelle Figur schuf Ritzel mit der jungen idealistischen Kommissarin Tamar; sie lebt nun mit der Frau zusammen, in die sie sich im ersten Roman verliebt hat. Und Ulm - das könnte nun mit Ritzels exzellenten Romanen zu einer festen Größe in der Kriminalliteratur werden. Für »Schwemmholz« bekam der Autor den „Deutschen Krimi Preis 2001« verliehen, den wichtigsten Kritikerpreis für deutschsprachige Kriminalliteratur. Ralf Koss

 

 

 


Michaela Grom in: DIE ZEIT, 19. Oktober 2000 (Literaturbeilage)

Das Böse trägt Krawatte

Ulrich Ritzels Wege in Ulm, um Ulm und um Ulm herum

Die Hoffnungsträger des deutschen Kriminalromans sind – um es vorsichtig auszudrücken - nicht gerade üppig gesät. Umso mehr ließ im letzten Jahr ein Debüt aufhorchen: Ulrich Ritzel, 59 Jahre alt, hat in »Der Schatten des Schwans« eine spannende Story, durchdachte Konstruktion und einen sympathischen Ermittler: Berndorf, Vorname unbekannt, Kriminalhauptkommissar des Dezernats Kapitalverbrechen der Poli zeidirektion Ulm. Kein Draufgänger, sondern ein nachdenklicher, beharrlicher Zeitgenosse, der einen grauenhaften Musikgeschmack pflegt, in unregelmäßigen Abständen über die Liebe und das Leben räsoniert und gerne liest – Montaigne, Lichtenberg.

Nun, ein Jahr nach dem Erstling, hat Ritzel nachgelegt. »Schwemmholz« heißt der zweite Berndorf-Krimi, wiederum in Ulm und Umgebung genau verortet, der Zeitverlauf zwischen dem 18. September 1998 und dem 3. Juni 1999 exakt datiert. Ein Brandanschlag auf den Wohncontainer einer italienischen Baufirma ruft die Polizei auf den Plan. Man vermutet die Täter in der rechtsextremistischen Szene. Zwei Verdächtige werden auch bald vor Gericht gestellt, kommen aus Mangel an Beweisen wieder frei.

Der Roman scheint auf dem geraden Weg zur Fabel von marodierenden Glatzköpfen und beherzter Gegenwehr der Gutmenschen - und genau diese Lesererwartung durchkreuzt Ulrich Ritzel geschickt. Eines Morgens liegt einer der Freigesprochenen ermordet vor dem Ulmer Justizgebäude. Berndorf rollt den Fall neu auf - und muss plötzlich nicht mehr nur an den Rändern der Gesellschaft ermitteln, sondern mittendrin. Plötzlich geht es nicht mehr um gewalttätige Fanatiker, sondern um gutbürgerliches Machtstreben, um Gelder, Gefälligkeiten, Großaufträge. Das Böse, weiß Exjournalist Ritzel, tarnt sich gerne hinter sonnengebräunten Gesichtern. Immer grimmiger wird der Kommissar. Wie er bei seinen Nachforschungen in der lokalen Honoratiorenschaft einen Filz freilegt aus Opportunismus und persönlichem Vorteilsstreben ist scharf beobachtet und glänzend geschrieben. Spannend zeichnet der Autor eine eigenartige Männerfreundschaft changierend zwischen Aggression, unterschwelliger Erotik und ungehemmt sich auslebender Brutalität.

Ulrich Ritzel hat seinen Roman bereits im letzten Jahr geschrieben. Vor dem Hintergrund der (realen) politischen Affären, die seitdem losgebrochen sind, bekommt die im Buch gestellte Frage nach der Moral in der Politik und nach der Anfälligkeit demokratischer Strukturen eine ungeahnte Brisanz. Kein Zweifel: Von diesem Autor möchte man mehr lesen. Gelinde Panik dann, wenn gegen Ende Berndorf, desillusioniert und müde, seinen Abschied nehmen will. Sollte es das schon gewesen sein? Hoffen wir, dass der kantige, leicht melancholische Wahrheitssucher auch als Rentner neugierig bleibt. Sonst wäre der Krimi made in Germany schon wieder um eine Hoffnung ärmer.

Ulrich Ritzel: »Schwemmholz Libelle Verlag, Lengwil 2000; 416 S., 39,- DM


Der Autor:
Ulrich Ritzel, Jahrgang 1940, langjähriger Journalist, ausgezeichnet mit dem »Wächter-Preis«, schrieb als Chefreporter bis 1998 über Gerichtsfälle und Politik in Ulm.
1999 gelang ihm mit seinem ersten Roman (»Der Schatten des Schwans«) ein nachhaltiger Erfolg. Seither wurde er zu zahlreichen Lesungen eingeladen.
Für seinen zweiten Berndorf-Roman (»Schwemmholz«) wurde Ulrich Ritzel mit dem wichtigsten Kritikerpreis ausgezeichnet (»Deutscher Krimi-Preis«). Über eine englische Ausgabe wird derzeit verhandelt.
Auch Ritzels dritter Roman (»Die schwarzen Ränder der Glut«) erscheint als btb bei Random House.


Vergleiche auch "Lexikon der Kriminal Literatur", 32. Ergänzungslieferung Januar 2001, Seite 1-4, von Klaus-Peter Walter

 

 

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Ulrich Ritzel
Schwemmholz

Roman, 416 S., geb.,
Euro 19,50 Euro [D] / 20,05 [A]
ISBN 978-3-909081-89-9


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Besprochen und empfohlen im LITERATURCLUB des Schweizer Fernsehens (SF-DRS und SAT3)

Daniel Cohn-Bendit leitete die Gesprächsrunde an den Burgdorfer Krimitagen. Hardy Ruoss, Gunhild Kübler und Pieke Biermann. Diskutierten folgende Bücher: Mia Couto, »Unter dem Frangipanibaum«; Sam Jaun, »Fliegender Sommer«; Kazuo Ishiguro, »Als wir Waisen waren« und Ulrich Ritzel, »Schwemmholz«.
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