Dieser 10. Newsletter steht unter dem Motto: »Es war schon wärmer im Winter«

Sie können den nächsten, der vor dem St. Johannistag 2007 fällig wird, ABBESTELLEN durch kurzes, selbst formuliertes Njet. Wir sind nicht nachtragend…

Damen und Herren vom Stamme der wilderen Leser, Freundinnen und Kollegen …

1.) In den Nachrufen auf Robert Altman dieser Tage wurde auch an seinen schönen Ausspruch über sein Verhältnis zu Hollywood erinnert. »Wir haben nichts gegeneinander: Die verkaufen Schuhe und ich mache Handschuhe.« So sieht man das auch von mancher Verlegerei aus.

2.) Druckfrisch und seit dieser Woche lieferbar: Das neue Stück von Yasmina Reza. Es wird nicht in Frankreich uraufgeführt (dort spielt dann aber z. B. Isabelle Huppert mit) sondern am Schauspielhaus Zürich, inszeniert von Jürgen Gosch, am morgigen Samstag (2. 12.). An Yasmina Rezas »KUNST« erfreuen wir uns seit 10 Jahren. Unsere Umsatzstatistik ebenso. »Der Gott des Gemetzels« kommt nun aber – so viel Vorliebe muss sein nach unserem Lesevergnügen während der Herstellung – sogleich auf Platz 2. Theater zum Lesen.
Ein triftiges Thema unserer Zeit: Gewalt unter Heranwachsenden und die Ratlosigkeit der Eltern. Oder: Eine Keilerei unter Kindern und wie sich danach die Eltern in die Haare kriegen. Oder: Wie der Putz bürgerlicher Wohlanständigkeit und ehelicher Gewöhnung bröckelt, einen rasanten, facettenreichen Theaterabend lang, in einem heftigen Gespräch über das Wilde, die Barbarei und immer noch wünschbare Ziele zivilisatorischer Vernunft.
Vor allem: Die hohe Kunst Yasmina Rezas, vier sehr unterschiedliche Erwachsene – den handysüchtigen Großanwalt, die erst bei steigendem Alkoholpegel nicht mehr so kontrollierte Anlageberaterin, die Afrika-engagierte Kunsthistorikerin, den hamsterphobischen Praktiker und Experten für Sanitärwaren – so zu entfalten, dass sie uns in ihren Überlebensversuchen näher kommen.

Zwei Tage später (4.12.) haben wir schon wieder einen Grund, nach Zürich zu reisen. Dort ist Maxim Biller (»Menschen in falschen Zusammenhängen«) von Röbi Koller zum Gespräch ins Züri-Littéraire eingeladen (Kaufleuten, 18 Uhr 30).

3.) Wer sich für Zahlen interessiert: Wir haben soeben die 3. Auflage von Sigrid Faltins heimlichem Bestseller »Die Baroness und das Guggenheim« ausgeliefert; die derzeit stärksten points of sales sind in Bonn (Kunsthalle »The Guggenheim Collection«) und Neuwied (»Hilla von Rebay« in der Städtischen Galerie.
Im Januar drucken wir die Erstauflage des dänischen Klassikers Steen Steensen Blicher; das war für November angekündigt, aber bei hundertfuffzig Jahre geduldig wartenden Erzählungen, sind acht Wochen Entschleunigung über den Rosenbeetchen der Erläuterungen wohl kein Grund zur Aufregung. Gleichzeitig drucken wird die 6. Auflage von Fritz Mühlenwegs »In geheimer Mission durch die Wüste Gobi« und die 8. Auflage von Hans Brügelmanns »Kinder auf dem Weg zur Schrift«. Wie viele unserer Lieblingsbücher ungerechterweise in der 1. Auflage verharren, sagen wir nicht. Wer, mit dem festen Vorsatz, eines davon zu befreien, eine Mail schickt, bekommt die Liste der betrübtesten Sieben.

4.) Die Abteilung Wetterforschung & Literatur gibt bekannt: Wenn Sie in diesen erstaunlich milden Tagen in Ihrer Zeitung – wo der Raum für kritischen Journalismus immer öfter mit Leitartikeln übers Wetter oder mit Wohlfühlumfragen unter Lesern aufgefüllt wird –, Horrornachrichten über zu warme November und deren computersimulierte Folgen anno 2013 finden: so greifen Sie hinter sich ins Bücherregal, zwischen Hebbels Tagebücher und Heines Werke. Genau vor 200 Jahren hat Johann Peter Hebel (»Warme Winter«) seine Leser über einen zu milden Winter beruhigen müssen. Er tat es mit erstaunlichen Details über 28 andere warme Winter, die sich in Chroniken seit dem Jahr 700 fanden. »Summa, es ist besser, wenn am St. Stephanstag die Bäume treiben, als wenn am St. Johannistag Eiszapfen daran hängen.«

Lesen wir uns wieder mal? Freundlich grüßt die Verlegerei und
Ihr
Ekkehard Faude

1. Dezember 2006


Sie möchten den 11. Newsletter direkt erhalten? Eine Mail an uns genügt: info@libelle.ch