Dieser 16. Newsletter steht unter dem Motto: »Wie schön war die Zeit, als man noch las, ohne zu verstehen!« *)

Damen und Herren vom Stamme der wilderen Leser, Freundinnen und Kollegen …

1.) Unsere VertreterInnen reisen wieder durch den Buchhandel, ausnahmsweise mit einer Frühjahrsnovität: »Meine Geschichte«, ein unerwarteter autobiographischer Text aus dem Nachlass des Historikers Arno Borst (1925–2007). Ein Rückblick des 80-jährigen Gelehrten, sprachmächtig, altersweise und streitbar zugleich; herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gustav Seibt, dessen viel gerühmtes Buch über »Goethe und Napoleon« (C. H. Beck) Sie vielleicht gerade lesen. (Nicht? Sollten Sie aber …)
Arno Borsts »Meine Geschichte« (www.libelle.ch > Novitäten) ist zugleich der Vorschein auf ein lange vergriffenes magnum opus des großen Mediävisten, das wir ab Herbst in einer Neuausgabe bringen: »Mönche am Bodensee«.

2.) Kaum sind die Statistiken der letzten zwölf Monate im Haus (Platz 1: Yasmina Reza »Der Gott des Gemetzels«, Platz 2: Christoph Meckel »Wohl denen die gelebt«… Platz 5: Fritz Mühlenweg »In geheimer Mission durch die Wüste Gobi«), da beginnt das Jahr mit Nachdrucken. Soeben: Eric-Emmanuel Schmitts »Der Besucher« (5. Auflage lieferbar ab 26. Januar). Das ist jenes subtile Stück, das im Wiener Arbeitszimmer des Doktor Freud spielt und in dem der atheistische Naturwissenschaftler durch das Auftauchen eines Fremden, der vielleicht ein entflohener Irrer, vielleicht aber auch Gott in persona ist, an die Grenzen seiner rationalen Gewissheiten schrammt.

3.) Weil auch die Freud an der Verlegerei mit rationalen Gewissheiten wenig zu tun hat, leisten wir uns die längere Lagerhaltung. Als nun gerade, im 5. Jahr nach Erscheinen, die Bestellungen für Ilse Helbichs autobiographischen Roman »Schwalbenschrift« auf einmal rasant zunahmen (eine Fotoreportage in der größten Frauenzeitschrift, eine lange Interviewsendung im ORF ...) sah unser Vertrieb das gelassen. Die Autorin ihrerseits lacht, kaum 86-jährig, ihr jugendliches Lachen dazu. Wir lauschen da gern.

4.) Spiegel online kann nicht alles wissen. Vor einigen Tagen wurde dort zwar gemeldet, dass »der Künstler F. W. Bernstein, Mitbegründer der Satirezeitschrift &Mac221;Titanic&Mac220;, den Wilhelm-Busch-Preis« erhält und dem Illustrator und Schriftsteller diese Auszeichnung für seine »erbarmungslose Güte und Wärme« zugesprochen wurde. Es fehlte aber - sollen wir hinzusetzen: aus verständlichen Gründen? - die Nachricht, dass etwa zeitgleich Fritz Weigle (alias F. W. Bernstein) uns einen Wunsch erfüllte: »Der Herr Seekreis-Direktor Ittner ist mir sehr ans Herz gewachsen: ein kluger Herr, der nicht auf Deibel-komm-raus Kunst machen will, sondern andere kluge Leute unterhält.«
Joseph Albrecht von Ittners humorvolle (und sacht bildungsgetrüffelte) Liebesgeschichte »Hero und Leander am Bodensee«, unwesentliche 200 Jahre alt, wird im Herbst also mit Zeichnereien von F. W. Bernstein bei Libelle erscheinen.

5.) Wer im Raum Köln wohnt, kann vom 11. Januar an die neue szenische Bearbeitung eines Mühlenweg-Stoffs sehen: Das Freie Werkstatt Theater führt »Nuni. Die Geschichte eines Heimwegs, bei dem die Sterne halfen« auf. Fritz Mühlenwegs Geschichte um das Mädchen Nuni, das entführt wird, aber den langen Weg nach Hause schafft, wurde gerade erst vor 10 Jahren von Rotraut Susanne Berner neu illustriert, strahlte auch prompt von der Bestenliste der Kinder- und Jugendbücher. Wer es nicht in den Kölner Zugweg schafft, könnte immer noch das schöne Buch kaufen.

6.) In der Woche vor Weihnachten ist in Allensbach am Bodensee eine Meinungsumfrage unter den Gemeinderäten erfolgreich verlaufen. Einstimmig von Schwarz bis Grün wurde die Einrichtung einer literarischen Gedenkstätte für Fritz Mühlenweg gutgeheißen. Dass dieser Beginn eines FM-Museums von Marbach aus im Rahmen eines landesweiten Programms bezuschusst wird, hat den Entschluss erleichtert.
Mühlenweg ist in Konstanz aufgewachsen, lebte aber seine letzten 26 Jahre in Allensbach: in dem Dorf, von dem man in hundert Jahren noch wissen wird, dass er dort nach seinen fernöstlichen Abenteuern einen dann weltweit gelesenen Initiationsroman schrieb. – Der Verleger soll, so geht ein Gerücht, für die Inhalte in den vorerst drei Ausstellungsräumen sorgen. Das könnte zu neuen Büchern führen.


Lesen wir einfach wieder weiter? Freundlich grüßen die Verlegerei und Ihr
Ekkehard Faude

11. Januar 2009



*) »Wie schön war die Zeit, als man noch las, ohne zu verstehen!« Franz Hessel schrieb das für die »Literarische Welt« vor 77 Jahren, in Erinnerung an frühe Leseerlebnisse. Wer sich nun durch solche Melancholie an eines der schönsten Gedichte des europäischen 20. Jahrhunderts erinnert fühlt (»Einst hatten wir die Welt im Nu gewusst«) und uns den Namen der Dichterin schreibt, ohne zuvor über Freund Google zu gehen, bekommt ein Libelle-Buch geschenkt.


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