Dieser 17. Newsletter steht unter dem Motto: »Zu einem richtigen Arbeiterstaat / gehört ein richtiger Kartoffelsalat« *)

Damen und Herren vom Stamme der wilderen Leser, Freundinnen und Kollegen …

1.) Haben wir uns eigentlich in Leipzig gesehen? Einige sind dort wohl im Strom der schönen Manga-Kinder abgedriftet…
Vom 12. März an waren wir mit allen lieferbaren Büchern in Halle 5, grad vis-à-vis dem »Berliner Zimmer«. Als dort Klaus Wagenbach seine vorzügliche Sammlung »100 Gedichte aus der DDR«*) vor vollem Haus vorstellte, kam er danach, schaute auf unsere Libellen und fragte etwas, was man von Profis auf Messen fast nie hört: »Was hab ich verpasst in letzter Zeit?« Christoph Meckels neuen Text »Wohl denen die gelebt. Erinnerung an Marie Luise Kaschnitz« nahm er gern mit; vor über 40 Jahren war dieser Autor in Wagenbachs Startprogramm dabei gewesen.

2.) Gedrucktes treibt zuweilen auf dem wohltätigen Wasser Lethe davon. Das Netz ist gnadenlos, auch mit Rezensenten. Da misslingt Tilmann Krause seine Lektüre von Christoph Meckels »Wohl denen…« auf so enthüllende Weise, dass man’s eigentlich milde vergessen möchte. (Kann ja passieren, jeder von uns lässt sich mal einen Text durch unpassende Leseerinnerungen stören…). Aber online wird die schräge Lesart noch lange sichtbar bleiben. Stoff für Seminare, sie können geglückte Rezensionen von Hartmut Buchholz, Jürgen P. Wallmann, Angelika Overath u. a. dagegen halten.

3.) Wir brüten über der Herbst-Vorschau; warten so sehnsüchtig wie gelassen auf Zeichnungen von F. W. Bernstein zu »Hero und Leander am Bodensee«, auf die literarischen Scharfblicke von Ulrike Draesner (Johann Peter Hebels »Kästchengeschichten« betreffend) und auf Gustav Seibts Nachwort zum nachgelassenen Meistertext von Arno Borst (»Meine Geschichte«). Derweil reisen unsere Autoren.
Christoph Meckel, sonst in Berlin, eröffnet am 22. April mit einer Lesung aus »Wohl denen die gelebt« im Winterer Foyer des Theaters Freiburg die neue Lesereihe »Freiburger Andruck«.
Thomas Wörtche on tour: Am 25. April (»Tatort Feldkirch«) bei den Feldkircher Literaturtagen, am 8. Mai bei der Criminale in Singen, danach bei den nächsten Solothurner Literaturtagen: 22.–24. Mai.

4.) Manche unserer Bücher nehmen langen Anlauf. Seit 1995 erfreut Ernst Peter Fischers »Die Nachtseite der Wissenschaft« nachdenkliche Menschen und bringt Hardcore-Aufklärer und Wissenschaftshistoriker ins Grübeln. Nun wird das Buch auch ins Kroatische übersetzt, erscheint bei Naklada Ljevak. Und hat uns so in Leipzig den Dichter Edo Popovic an den Stand gebracht, der als Lektor gleich auch noch Fischers »Brücken zum Kosmos« aquirierte.

5.) Eric-Emmanuel Schmitts viel gespielte Stücke „Der Besucher“ sowie »Hotel zu den zwei Welten« rückten gerade in höhere Auflagen. Auch der abenteuerliche Bericht eines ungewöhnlich mutigen Diplomaten ist soeben in Neuauflage lieferbar: Werner Otto von Hentigs »Von Kabul nach Shanghai. Bericht über die Afghanistan-Mission 1915/16, die Rückkehr über das Dach der Welt und durch die Wüsten Chinas«.

6.) Immer wieder erzählen uns Fans vom Fortleben unserer Bücher an unerwarteten Orten. In Matthias Polityckis soeben erschienenem Lyrikband (»Die Sekunden danach«, HoCa) fängt eines der Gedichte so an: »Das Germknödelparadigma / wird in diesem Gedicht nicht verraten. / Auch von Litzelstedter Libellen handelt es nicht. / Für die Hirnstrommessungen bei tremolierenden Sopranistinnen interessiert es sich nicht...«
Wir haben den Ruf vernommen, Dichter! Legen also diese lang vergriffenen mythischen Texte unserer Reihe mit Wissenschaftssatiren wieder auf, »Das Germknödel-Paradigma« und »Das Soprano-Project«. Vor allem aber die Urmutter aller Satiren, die Nr. 1 jener Reihe, die im Antiquariat inzwischen ihren Preis vervierfacht hat: „De Statu Corruptionis. Entscheidungslogische Einübungungen in die Höhere Amoralität.“
Aber, Dichter, schreib doch bitte in künftigen Auflagen: »Litzelstetter Libellen«. Es war vom Dorf Litzelstetten aus, gerade zum Ortsteil von Konstanz mutiert, dass heute vor 30 Jahren (1. April 1979) der Verlag gegründet wurde. Seither gibt es Bücher mit dem Signet der Libelle, Flugwesen im Zickzack, die ernstlich heiter aufs Ganze aus sind. In diesen drei Jahrzehnten sind wir strikt der Devise gefolgt: Kein Bankkredit, nie. Geistige Anleihen auf den Kontinenten inspirierender Bücher dafür: immer.
Der Verlag wuchs mit geglückten Büchern und mit Autoren, die dann so erfolgreich wurden, dass sie andere Novitäten ermöglichten: Hans Brügelmann, Heide Bambach, Manfred Bosch, Sigrid Faltin, Fritz Mühlenweg, Ulrich Ritzel, Yasmina Reza…

7.) Nur wegen einer runden Null muss man in diesen Zeiten nicht feiern. Aber 2012 ist ja nah, da wird Libelle 33. Was wir heute an Feuerwerkskörpern und Lustbarkeiten einsparen, wenden wir an die Neuausgabe eines bleibenden Werks europäischer Kulturgeschichte: »Mönche am Bodensee« von Arno Borst. Circa 700 Seiten. Kommt im Herbst.


Lesen wir einfach wieder weiter? Und bestellen auch hin und wieder ein Buch?  
Freundlich grüßen die Verlegerei und Ihr
Ekkehard Faude

1. April 2009


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