Fritz Mühlenweg (rechts) mit Mongolen in Hami. © Libelle
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»Fritz Mühlenweg – Mit Sven Hedin in der Wüste Gobi«

Ekkehard Faude: Mit Sven Hedin in der Wüste Gobi:
Fritz Mühlenwegs Mongoleifahrten.
Vortrag 13. Februar 2003, TurmForum Stuttgart


Ich bewundere den Mut der Stuttgarter. Es war ja einigermaßen riskant, diese Veranstaltungsreihe »Von der Lust am Reisen« durch einen fast notorischen Nur-im-Kopf-Reiser eröffnen zu lassen. Umgeben von fernwehgerührten Freunden habe ich mir früh aus schlichter Bequemlichkeit aufgesagt, was Baudelaire in einem seiner schwarzen Gedichte formulierte, den ultimativen dégout vor der Fortbewegung in fremde Länder: Den Reisenden erwarte, wohin er sich auch bewege, immer das gleiche Spiegelbild des Menschen: une oisis d’horreur dans un désert d’ennui.
Ich darf das vorab zugeben, da es ja heute Abend um eine Reise geht, die zwar historiografisch als wissenschaftliche Expedition gehandelt wird, aber bei genauerem Hinsehen einigen hoch emotionalen Männern mit sehr unterschiedlichen Motivationen den gleichen Anfangswunsch erfüllt hat. Dass Sven Hedin damals schon viele Jahren aus seinem schwedischen Alltag heraus und in neue asiatische Abenteuer wollte, ist aktenkundig. Was Mühlenweg ins Weite getrieben hat, sehen wir inzwischen auch klarer.

Was der Autor, Maler und Asienreisende Fritz Mühlenweg lange nach seiner Mongolei-Fahrt als Resümee formulierte, haben wir Ihnen schon auf der Einladungskarte abgedruckt. Diese Grundsatzerklärung über die Kunst des Reisens, über Erfahrungsoffenheit, ist das glatte Gegenprogramm zum Baudelaireschen Pessimismus: »Wer nach Zentralasien geht (…) sollte das Land betreten wie am ersten Schöpfungstag, als ob er keine Erfahrungen habe, die Menschen nicht kenne, und nicht einmal die Natur. Das Umlernen im Denken erfordert nicht nur Anpassungsfähigkeit. Dazu ist die Bereitschaft des Herzens notwendig…«
Diese Sätze können auch als ein Gegenprogramm zur brachialen Verwestlichung der Welt gelesen werden. Mühlenweg war, lang vor der Erfindung des Wortes, ein Globalisierungsgegner. Gerade dass er die emotionale Intelligenz, die Bereitschaft des Herzens fordert, die Fremdes erst einmal gelten lässt, macht die Beschäftigung mit ihm in unseren Zeiten so lohnend.

Ich hätte ihm eigentlich noch begegnen können -- in Konstanz, wo er 50 Jahre vor mir aufgewachsen war und wo er 1961 starb. Man verpasst sich aber mühelos in der nächsten Umgebung. Es gab freilich welche aus meiner Generation, die haben ihn nicht verpasst: Eine Zwölfjährige aus Konstanz namens Ulrike Ottinger wollte ihn nach Lektüre seines Romans »In geheimer Mission durch die Wüste Gobi« unbedingt kennenlernen und schaffte es auch. Auf ihre Frage hin, was sie denn tun solle, damit sie später auch Weltreisende werden könne, sagte ihr Mühlenweg: Sprachen lernen. Sie wurde dann Filmemacherin in Berlin, und einen ihrer längsten Filme, acht Stunden Spieldauer, drehte sie vor einigen Jahren in der nördlichen Mongolei.

Dieser Reisende, so viel ist klar, kam in Asien mit vielerlei Prägungen seiner Herkunft an, die er erst langsam begriff. Ein gelernter Kaufmann, Drogist aus heftig arbeitender und wohlhabend gewordener Familie, westfälischer Vater, württembergische Mutter, aufgewachsen im liberalen Baden. Ein musterhafter Sohn, der nach eigener Soldatenzeit den Platz seines im Weltkrieg gefallenen älteren Bruders brav einnahm, also: -- Drogistenakademie, Arbeit im Großhandel, Übernahme des elterlichen Geschäfts… Aber einer, der nach dem Tod des Vaters unruhig wurde, seinen wohl situierten Lebensplan unterbrechen wollte, im Alter von 28 Jahren den Absprung wagte. Das war im Frühherbst 1926 erst nur der innere Entschluss zu einem radikalen Wechsel: Ihm waren Erdteil oder Land egal, er wollte nur weg und hoffte wohl selbst, dass seine Begründung stimmte: »Gehe ich aber jetzt ein bissel hinaus und sei es nur für 2 Jahre, so komme ich als ein Anderer zurück…« (Sept. 1926 an die Mutter)
Seine Unruhe hatte nicht nur mit dem Horror vor einem Leben im Einzelhandel zu tun, und nicht nur mit der deutschen Misere der Inflationsjahre. Mühlenweg hatte einen körperlichen Drang ins Freie, eine sportive Kraft, ein Ruderer, Bergsteiger, Skifahrer, der in jeder freien Stunde in der Natur unterwegs war. Silvester mit einem Alpenvereinsfreund auf dem Säntis! Die ersten Schlagzeilen hatte der Konstanzer gemacht, als er 1919 aus einem französischen Kriegsgefangenenlager ausgebrochen war, trotz Verfolgung in solitären Nachtmärschen die Grenze erreichte und dann den Rhein durchschwamm. Dieser Mühlenweg hatte den Stoff in sich, alle Männerfantasien seiner Epoche zu erfüllen. Kein Wunder, dass Sven Hedin in seinem Buch über die Expedition »Auf großer Fahrt« jene tollkühne Flucht Mühlenwegs erwähnt. Aber welches Wunder andererseits, dass Mühlenweg die Struktur jenes draufgängerischen Alleingangs viele Jahre später in eine ganz andere Reise-Geschichte transponierte: in ihr macht sich ein Mädchen Namens Nuni allein auf einen langen ungewissen Weg nach Hause, immer nur bei Nacht ist sie unterwegs, aber in jeder Nacht wird ihr von einem anderen Sternbild geholfen.

Sie merken: Ich versuche erst gar nicht so zu tun, als ob seine Mongolei-Reise isoliert betrachtet werden könnte. Diesem Erzähler ist es angemessen, ihn zugleich in seine späteren Geschichten zu verstricken. Er hat eine langwierige Identitätskrise in seiner abenteuerlichen Reise nicht lösen können. Als es ihm aber später dann gelang, geriet ihm die Erzählung einer Reise auf die allerleichteste Weise zu einer Lebenslehre. Diesen Umweg müssen wir machen.
Der Drogist also, der 1927 nach Asien ausbüxte und fünf Jahre später nur noch Künstler werden wollte, ein bürgerlicher Absturz, der von seiner enttäuschten Mutter im Testament mit bitteren Worten belegt wurde. Ein für Jahre ziellos Gewordener dann, der sich nach kurzem, bald abgebrochenem Malerstudium in Wien, ab 1935 an seinem heimischen Bodensee als freier Maler niederließ, glücklicherweise nicht allein: Er hatte in Wien eine vielseitig-starke, schöne Frau kennen gelernt, ausgebildete Malerin, Elisabeth Kopriwa.
Eine kurze Idylle am Bodensee dann, finanziell für ein paar sparsame Jahre gesichert aus dem Erbe der Drogerie, ein Malerehepaar in einer rasch auf 7 Kindern anwachsenden Familie. Die Suche nach Gleichgesinnten in Zeiten der Diktatur: Mit der Familie des Malers Otto Dix, die sich vor der politischen Misere an den Bodensee abgesetzt hatte, waren die Mühlenwegs bald innig befreundet. Fritz Mühlenweg schrieb an den Malerfreund Otto Dix auch aus Bordeaux, wo er nach Beginn des 2. Weltkriegs als Zöllner eingezogen wurde. Und Nelly Dix, die Tochter, ist seine erste und begeistert-kritische Lektorin geworden, als er sich daran machte, seine magisch gewordenen Erinnerungen an die Mongolei in einen 700 Seiten starken Roman umzusetzen. Der als zweibändige Ausgabe dann sofort und für ein Jahrzehnt ein Bestseller im Herder Verlag wurde unter dem Titel »Großer Tiger und Kompaß Berg« und »Null Uhr 5 in Urumtschi.« Dass seine Landschaftsbilder mühelos ein halbes Jahrhundert erinnert werden, erwies sich vor zwei Jahren, als der deutsche Außenminister vor laufender TV-Kamera einem Journalisten in Samarkand antwortete: Ihm komme das Land hier so vor, wie er es aus »Null Uhr 5 in Urumtschi« in Erinnerung habe.
Joschka Fischer, Ulrike Ottinger: es ließen sich noch Dutzende Namen nennen, auch hervorragende Köpfe der deutschen Mongolistik sind darunter, die ihre inneren Bilder von ostasiatischer Weite und mongolischer Lebensart, auch ihre Lust dorthin zu reisen, dem verdanken, was Fritz Mühlenweg zurückbrachte.

Nun sind wir an dem Punkt, an dem dieser Vortrag endlich beginnen könnte. Es könnte nun um die Lust des jungen Mühlenweg am Reisen gehen. Die können wir aus Briefen rekonstruieren, die er aus der Mongolei zum Beispiel an seine Mutter geschrieben hat, mit vielen Alltagsdetails der Expedition. Er wollte darin u. a. seinen Lernwillen demonstrieren, immer noch sollte seine Reiseflucht ihren bürgerlichen Sinn bekommen. Es gibt auch Briefe, die ihm Expeditionskollegen danach noch schickten, munteres Männergefrotzel zunächst mit erheblichen Aversionen gegen den Chef Hedin, und schließlich dann, ein Krieg lag dazwischen, herb verklärende Rückblicke an einen gemeinsamen Lebenshöhepunkt. Es gibt auch die Briefe Mühlenwegs an sehr geliebte Frauen vor und nach der Reise, in denen dieser Mann private und gesellschaftliche Wünsche formulierte, von denen ihn die große Fahrt ablenken sollte.
Wir haben auch mehrere hundert Fotos, nicht gerade professionell geschossen, auf einem geliehenen Apparat, die Negative mit Kratzspuren von Gobisand: maskierte Trauerzüge in Peking, die trostlosen, halb zugewehten Ruinen der Schwarzen Stadt Charachoto, ein zugefrorenes Wasserloch, über das sich Durstige bücken. Auch die hageren Gesichter der Mongolen mit den Spuren der Syphilis, die Mühlenweg in seinem knapp geführten, wissenschaftlichen Tagebuch erwähnt hat, die er dann aber den Erzähl-Figuren der Romane sorgsam wegretuschierte. -- Auf dem Weg in die literarische Inszenierung der Mongolei sind, by the way, noch andere Realia verschwunden: Mühlenweg, der in Briefen seiner Expeditionskameraden scherzhaft als "Läusekönig" tituliert wird, hat seinen Lesern das alltägliche Ungeziefer von Wüstenreisenden, die sich wochenlang nicht waschen konnten, voll erspart.
Schließlich, man kann’s nicht oft genug betonen: seine Romane, in denen er sich von Details seiner Dokumente hat inspirieren lassen, aber seiner dichterischen Einbildungskraft natürlich auch mit nicht fixierten Erinnerungen aufhalf. Das alles wurde zum Anstoß von Literatur: Er hat sich die Lust am Reisen, die Gefahren auf dem Weg, die Größe und die Ödnis der Wüste schreibend wieder zurückgeholt in einer Zeit, da er im eiskalten Winter 1948, ein Brett auf den Knien, im einzigen beheizbaren Raum des Hauses in Allensbach und inmitten einer unermüdlich fragenden Kinderschar, - an seinem Roman schrieb, der dann noch lange kein Bestseller war, 1948, als es für ihn keine Reisen mehr gab, sondern allenfalls Hamsterfahrten aus Not in einem von Franzosen besetzten Südwestdeutschland.

Man muss die Lebenshermeneutik ernst nehmen: Eine Reise ist unter anderem die Zersplitterung und die Dekonstruktion der verschwommenen fixen Bilder, mit denen sich einer auf den Weg macht. Und dieselbe Reise belichtet dann neue innere Filme, die nicht einfach fixiert sind, manchmal kommen sie erst Jahre danach ins richtige Entwicklerbad. Das allerdings bleibt interessant genug. Welches Glück, dass dieser Mühlenweg nicht gleich nach seiner Rückkehr schrieb, 1932, ein einsamer und unglücklicher Mann, der dann womöglich wie Sven Hedin seine Unfähigkeit zur Bindung in Renommierstil, Eroberungsmetaphern und den beschönigenden Blick eines kleinen Chefs umgesetzt hätte. Landschaft als Auslauf für Männerphantasien… Es brauchte noch ganz andere Erfahrungen, bis Mühlenweg die Mongoleifasern so aus sich herausholen konnte, dass daraus ein Jahrhundertstoff wurde, die Mongolei als Schauplatz einer Geheimen Mission, einer Reise durch die Wüste Gobi, die eigentlich durch einen unguten Zufall beginnt, einen Zug, der nicht mehr anhält, und die dann eigentlich auch scheitert: die Botschaft kommt zu spät an ihr Ziel..., aber welche unvordenklichen, anderen Einsichten sind auf dem Weg aufgenommen worden! Welches Glück, dass dieser Mühlenweg seine Erinnerungen erst als Familienvater zur Sprache brachte, und es so schaffte, die mongolische Welt aus den Augen von zwei Heranwachsenden lebendig werden zu lassen. So gelang ihm der Zauber, der die Lebensfreude, die schlichte Neugier und die naive Nachdenklichkeit der Nomaden, die er tatsächlich erlebt hatte, verschmelzen konnte mit dem Horizont kindlicher Ernsthaftigkeit, dem vorurteilsfreien Blick auf das Fremde.

Für den Fall, dass heute jemand doch gekommen ist, um harte Fakten über die Expedition Sven Hedins und Fritz Mühlenwegs Beteiligung daran mit nach Hause zu nehmen: Alles begann damit, dass der Kaufmann Mühlenweg mit einem Begleitbrief vom 20. 10. 1926 von der Luft Hansa in Berlin ein zweibändiges Werk von Sven Hedin zugeschickt bekam, mit eigenhändiger Widmung des Autor. Das Werk war zur Vorbereitung der Reise gedacht, für die sich Mühlenweg Ende September erst beworben hatte. Noch 10 andere Deutsche bekamen Lesestoff. Hedin hätte damals eigentlich über zwei Dutzend selbstverfasste Bücher verschenken können. Er war seit einem Vierteljahrhundert schon einer der meist gedruckten Sachbuchautoren.
Alle Teilnehmer hatten absolutes Stillschweigen über die Art der Unternehmung versprechen müssen. Auf eine vertrackte Weise hat diese Geheimhaltung 75 Jahre lang funktioniert: als die Karawane nämlich en route war, wurde zwar endlich offiziell und in vielen Zeitungsartikeln verbreitet, dass die Deutschen von der Luft Hansa bezahlt wurden und dass die Luft Hansa überhaupt die ganze Expedition Sven Hedins durch ein großzügiges Sponsoring (von umgerechnet 6,5 Millionen Euro) erst in Gang gebracht hatte. Die Expedition sollte, so die Version seither und ich selbst habe das noch beim Formulieren der Einladung für heute Abend geglaubt, sie sollte in ihrem Verlauf Wetterdaten sammeln und meteorologische Stationen einrichten. Für eine geplante Luftlinie Berlin-Peking sollten die klimatischen Bedingungen in der Wüste Gobi langfristig untersucht werden. Nicht nur um Luftströmungen ging es, den Austausch zwischen Pol und Äquator durch die ostasiatischen Weiten hindurch, sondern um die Einrichtung von kleinen Landeplätzen mit Benzinlagern, denn die Junkers-Flugzeuge der Endzwanziger-Jahre hatten nur eine Reichweite von ca. 500 Kilometern.
Das stimmte auch alles irgendwie, man kann es schon daran ablesen, dass die Reiseroute der Karawane die mutmaßliche spätere Flugroute von Sinkiang nach Peking erforschte. Auch hat die Luft Hansa bereits nach anderthalb Jahren Laufzeit Geld und Mannschaft zurückzogen, als der Gouverneur von Urumtschi jede Genehmigung für Flüge über Sinkiang ablehnte.

Es gab aber eine Geheimstufe, von der die unteren Chargen damals nichts ahnten. Sie ist erst in den vergangenen Monaten in einem geographiegeschichtlichen DFG-Projekt der Uni Bonn aufgedeckt worden. Der dortige Professor Hans Boehm hat aus Akten des AA nachweisen können, dass die Hedin-Expedition von der Reichsregierung bezahlt wurde, Außenminister Stresemann als Unterzeichner. Es waren also nicht zufällig so viele soldatische Männer dabei, die deutsche Regierung hat gezielt flugerfahrene Militärs eingeschleust. Dies aber durften weder die Siegermächte des Weltkriegs, die China ökonomisch beherrschten, noch die Chinesen selbst erfahren, deshalb wurde strikt die reichseigene Luft Hansa als Handlungsträger in Berlin vorgeschoben. Hedin hat dies zeitlebens nicht preisgegeben. Er behielt sein Geheimnis, weil ihm das deutsche Reich auch nach dem Rückzug der Luft Hansa die vollen Sponsorgelder zahlte. Zudem war der große schwedische Forscher seit seinen Leipziger Studienjahren ein glühender Verehrer einer deutschen Großmacht. Er hatte sich im Weltkrieg mit martialischen Veröffentlichungen hinter die deutsche Kriegspolitik gestellt und hofierte später Adolf Hitler als den Verwirklicher deutscher Größe. Seine Deutschland-Gefolgschaft bis in die Geheimpolitik hinein, passte fein zu ökonomischen Fundamenten: In Deutschland hatte er früh seine finanzielle Basis als freier Autor gefunden: Der Verleger Brockhaus veröffentlichte seine Reiseberichte und politischen Bücher jahrzehntelang mit großem Erfolg und Hedin verstärkte seine Wirkung auf zahlreichen Vortragsreisen.

Fritz Mühlenweg also bekam, noch als der Beginn der Expedition immer wieder um weitere Wochen verschoben wurde, ein von Hedin signiertes Exemplar jenes Werks, mit dem dieser einst seinen Weltruhm begründet hatte: "Durch Asiens Wüsten", erschienen 1899, kurz nachdem der tollkühne Schwede in einer fast vier Jahre dauernden Reise den Pamir und die Wüste Takla-makan durchquert hatte, geografische Daten messend, Landschaften und Wege skizzierend. Eine Wahnsinnsreise, als Forschungsfahrt deklariert, Hedin hatte das alles schon erlebt, bevor Mühlenweg auf der Welt war. Ein Imponiergeschenk des 61jährigen, zudem die Duftmarke eines professionellen Selbstvermarkters, der sich weltweit mit neuesten Medien in Erinnerung hielt. Zu diesem Zeitpunkt wusste Mühlenweg noch nicht, dass er ein paar Wochen später in seinem Vertrag mit der Luft Hansa einen Passus unterschreiben würde, der ihm jede schriftstellerische Auswertung der Expedition auf zwei Jahre hinaus untersagte. Die primäre Deutung blieb ausdrücklich das Privileg des Chefs Hedin.

Auch auf seiner letzten großen Expedition, deren Anfang Mühlenweg miterlebte und nach markanten Unterbrechungen erst 1935 endete, wird sich Hedin als journalistischer Profi erweisen, der auf dem Rücken seines Kamels pausenlos notiert und Karten zeichnet. Postreiter werden seine Berichte zur nächsten Telegrafenstation bringen, von Schweden aus wird Hedins Schwester Alma sie an die North American Newspaper Alliance und an seinen Verlag in Leipzig weiter reichen. So wird 1927 schon die internationale Presse zu den Neuigkeiten kommen: über archäologische Ausgrabungen frühchinesischer Gräber, über Schädelmessungen, die der schwedische Dr. Hummel an mongolischen Mönchen unternimmt und über die Wind- und Temperaturmessungen, die der deutsche Meteorologe Haude mit Hilfe von gasgefüllten Ballons in der Wüste Gobi durchführt. Und es wird zu seltsamen Rückkoppelungen kommen, wenn die Expeditionsteilnehmer in Briefen aus der Heimat Zeitungsausschnitte geschickt bekommen, in denen sie Hedins Version ihrer Erlebnisse nachlesen konnten. Fritz Mühlenweg musste sich im März 1928 von Urumtschi aus in einem Brief an seine Mutter gegen übertreibende Zeitungsberichte zur Wehr setzen. Hedin hatte Mühlenwegs Verdienste gerühmt und seine Fluchtgeschichte aus französischer Gefangenschaft wüst dramatisiert: »Was er über mich schreibt, ist zwar nett, aber ebenfalls so vieles erdichtet, um nicht zu sagen erlogen, denn von einem Kugelregen habe ich damals nichts bemerkt und auch nicht davon gesprochen.«

Wenn der Drogist Mühlenweg im Herbst 1926 Hedins Asien-Buch aufmerksam gelesen hätte, wäre er möglicherweise in manchem vorgewarnt gewesen. Hedin hatte nicht nur seinen Nimbus des unerschrockenen, jede Strapaze mit körperlicher Kraft meisternden Geographen darin ausgebreitet. (Und nebenbei erhebliche Krankheitszeiten notiert.) Auch die rücksichtlose Durchsetzung seiner abrupten Einfälle gegen den Rat von Einheimischen stand darin: Wie er es im Februar 1894 erzwang, also zu einer Jahreszeit, in der Einheimische über 40 Grad Kälte und die unwägbaren Buran-Stürme erwarteten, wie er es erzwang Dreitausender und Sechstausender des Pamir anzugehen: wie er kirgisische Pferdeknechte Stufen in vereiste Hänge schlagen ließ und Pferde mit gebrochenem Rückrat liegen blieben.-- Oder wie er ein Jahr später seiner Obsession folgte und allen Warnungen zum Trotz in die gefürchtetste der Wüsten zog, Takla-makan. Fast 300 Kilometer auf der Karte, die er in 15 Tagen zurücklegen wollte, und dafür auch Proviant mitnahm: das berechnete ein Mann, der sich als ständig Entfernungen, Höhen, und Temperaturen messender Wissenschaftler inszenierte. Das Desaster dauerte dann fast doppelt so lang. Er beschrieb auch, wie er am 22. Tag die untergegangene Karawane verließ, um sich allein durchzuschlagen und Hilfe zu holen. Zwei seiner vier Begleiter waren verdurstet, auch acht der sieben mitgeführten Kamele. Zuhaus mit dem Ritterkreuz des schwedischen Königs ausgezeichnet, wunderte sich Hedin noch im Nachhinein rhetorisch: »Wie ein Kind lauschte ich diesen abenteuerlichen Sagen, die mir die gefährliche Fahrt, die ich zu wagen beabsichtigte, mit jedem Tage verlockender erscheinen ließen. Sie hypnotisierten mich; ich wurde blind gegen jede Gefahr, die unheimliche Wüste verhexte mich.« (DAW I, 138)

Gegen Verhexungen war der Kaufmann Mühlenweg gefeit. Er reiste am 5. Februar 1927 von Berlin ab, fast als letzter; aus Gründen der Geheimhaltung waren die elf Deutschen in mehreren Kleingruppen nach China unterwegs. Mühlenweg war mit Job von Dewall zusammen, die beiden hatten sich während Dewalls Konstanzer Garnisonszeit kennen gelernt und zahlreiche Kletter- und Skitouren zusammen gemacht. Als der flugtechnisch versierter Major zur Expedition berufen wurde, hatte er seinem alten Sportsfreund Mühlenweg eine Stelle als Rechnungsführer vermittelt (»wenn es Ihnen nur darauf ankommt zu abenteuern und etwas von der Welt zu sehen« 19. 9. 1926). Die beiden Männer genossen die Fahrt, waren drei Tage später im sowjetischen Moskau. Nach weiteren acht Tagen im Orientexpress schrieb Mühlenweg an Mutter und Schwester schon aus dem nordchinesischem Harbin. Auf Schreibpapier des Grand Hotel der Chinese Eastern Railway steht als Schlusssatz: »Hoffentlich können wir wenn wir nach Peking kommen gleich aufsitzen und losreiten«. Am 18. Februar unter einer Farbkarte mit dem Kaiserlichen Grabtempel in Mukden ein ähnlich hoffnungsfroher Satz: »Heute letzter Reisetag vor dem grossen Ausritt.«
Eine rührende Phantasie, und die volle Wahrheit darüber, was sich dieser 28-Jährige unter der Expedition vorstellte: nur weg von den Städten und hinaus in die Weite. Am Tag darauf kommt er endlich in Peking an, er hat keine Ahnung, dass er in der großen Stadt über vier Wochen ausharren muss, er ist dort dann bereits mit Buchhaltungsaufgaben betraut, macht aber fleißig Sightseeing. Er weiß nicht, dass er sich auch nach diesen 4 Wochen nicht einfach auf den Rücken eines Pferds oder Kamels wird schwingen können, sondern am 22. März, erst einmal über neun Stunden am Bahnhof auf den fahrplanmäßigen Zug nach Baotou warten wird. Er wird dabei lernen, dass dieser viel zu spät ankommende Zug eigentlich der vom Vortag sei. »In der Eile sind Fehler.«

Er wird weitere 2 Monate in dieser tausend Meter hoch gelegenen, ständig von Staub geschwängerten Garnisonstadt Baotou bleiben: Im dortigen Sammellager der Expedition wird seit Monaten zusammengeführt, was für die Wüstenfahrt gebraucht wird. Und manche brauchen mehr als andere für möglich halten: Sven Hedin kann es nicht fassen, dass die Wissenschaftler mit kompletten Betten in die Wüste reisen, er hat immer auf dem Boden geschlafen. 40 Tonnen Ausrüstung warten darauf, dass Mühlenweg sie in hölzerne Kisten verstaut und Bestandslisten so anlegt, dass später selbst die Grammophonplatte mit dem Lagersong gleich gefunden werden kann. Er wird in einem Bericht an die Luft Hansa vom 27. April allein von 120 gepackten Lebensmittel-Kisten schreiben, je zwei werden einem Kamel aufgeladen. Und wie lang der Proviant reichen kann, ist ungewiss: denn selbst Ende April steht noch nicht fest, mit wie viel zusätzlichen Chinesen Hedin aus Peking schließlich ankommen wird.

In diesem Bericht an die Arbeitgeber in Berlin steht ein Satz, so karg wie er unter Bedingungen der Selbstzensur möglich war: »Leider wird uns Herr v. Dewall verlassen, den wir alle sehr vermissen werden.« Der Satz spielt auf einen Skandal an, über den die Direktoren der Luft Hansa durch telegrafische Berichte Hedins wie Dewalls bereits informiert waren. Er ist nicht in die Geschichtsschreibung der Expedition eingegangen, Hedin hat ihn in seinem eigenen Buch sorgsam herunter gespielt. Wir können die Umrisse des Dramas aber aus privaten Briefen ersehen, die Dewall von Peking aus seinem Freund Mühlenweg ins Sammellager geschrieben hat. Um ein Haar hätte die dramatische Entwicklung auch für Mühlenweg das vorzeitige Ende aller Träume von der weiten Wüste bedeutet. Denn sein Verhältnis zu Hedin hatte ohne eigenes Zutun gravierend gelitten.

Job v. Dewall war als Verbindungsmann der Luft Hansa bei Sven Hedin in Peking geblieben. Seit dem Spätherbst befand sich Hedin in mühsamen Verhandlungen mit chinesischen Ministerien, und die Gespräche wurden durch die innenpolitisch explosive Lage des zerrissenen Reiches fast wöchentlich schwieriger. Immerhin verlangte da eine Gruppe Ausländer mit großem Tross Bewegungsfreiheit für eine schwer kontrollierbare Reise durchs Landesinnere. Man hatte in den Jahren davor erlebt, dass ausländische Forschungsexpeditionen ihre Funde einfach außer Landes brachten, wertvolle Kulturrelikte aus längst versunkenen Epochen. Und diese Europäer nun, außer Hedin noch fünf Schweden, ein Däne, 11 Deutsche, waren bewaffnet, wollten Wasserstoffflaschen mitführen, um Beobachtungsballons aufsteigen zu lassen, und sie waren dabei, gegen 300 Kamele zusammenzukaufen.
Die chinesische Führung hatte das Land nicht unter Kontrolle. Es kämpften mehrere Warlords mit ihren räuberähnlichen Truppen gegeneinander, auch die späteren welthistorisch bedeutsamen nationalistischen Führer Tschiang Kai Schek und Maodsedong verfolgten bereits ihre getrennten Ziele. Die Regierung in Peking geriet durch akute Studentenproteste zusätzlich unter Druck. Diese Studenten forderten die Teilnahme chinesischer Wissenschaftler und die Umwidmung der Expedition in ein nationalchinesisches Unternehmen..
Hedin, seit Jahrzehnten mit asiatischen Umgangsformen und Verhandlungsstrategien vertraut, setzte auf Nachgiebigkeit und Geduld. Er hatte ein größeres Ziel vor Augen. Auf die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Expedition durch die letzten unerforschten Wüsten hatte er länger als 10 Jahre gehofft. Nun hatte er beisammen, was er in blumiger Übertreibung eine "wandernde Universität" nannte: den Geologen Erik Norin, den Archäologen Folke Bergman, den Mediziner David Hummel, alle aus Schweden, und den deutschen Meteorologen Waldemar Haude. Und er hatte zudem zwei hervorragende Landeskenner angeworben: den hoch angesehenen schwedischen Kaufmann Frans August Larson, der seit fast 40 Jahren im Land lebte und in Urga mit dem Titel eines Herzogs der Mongolei ausgezeichnet worden war; und den Dänen Haslund, der aus mehrjährigem Aufenthalt ebenfalls mongolische Sprache und Sitten beherrschte. (Nebenbei: Haslund brachte dazu noch eine Materialspende besonderer Art in die Expedition, er war Angestellter der British-American Tobacco und die spendierte 300.000 Zigaretten zur Ablenkung von Wüstenluft.)
Hedin nahm die Forderungen nach Beteiligung von 10 chinesischen Wissenschaftlern und sonstigen Begleitern ernst, akzeptierte auch eine Umbenennung in Sino-Swedish Expedition und verhandelte geduldig alle Detailfragen, von Transitpässen für die Männer über die Bewilligungen für Waffen bis hin zur Einrichtung fester Wetterstationen. Der deutsche Militärkopf Dewall, der chinesischen Verhandlungssprache ohnehin nicht mächtig, begann bald rabiat zu werden, forderte eine härtere Taktik gegenüber den Chinesen. Er trat in Peking überhaupt so offensiv deutsch auf, dass Hedin das Konzept der Geheimhaltung gefährdet erschien.

Dieser Dewall, der mit Mühlenweg immer beim förmlichen »Sie« blieb, war eine prekäre Persönlichkeit. Er war schon in der Konstanzer Garnison durch extremistischen Widerspruch aufgefallen, hoffte auf ein Vorwärtskommen in einem nachdemokratischen Deutschland. Dass ihm später, ab 1933, eine Karriere im NS-Luftfahrtministerium gelang, ist wenig verwunderlich. Auf seiner Laufbahn in die kriegswissenschaftliche Abteilung der Luftwaffe für Norwegen begegnete er später wenigstens drei Expeditionsteilnehmern auf hohen Posten wieder. Der ehemalige Direktor der Luft Hansa, Eberhard Milch, wurde nach 1933 ein von Göring gehaltener Feldmarschall. -- Auf einem von Mühlenwegs Wüsten-Fotos posieren zwei Deutsche mitten in der Mongolei mit einer Hakenkreuzfahne, einer davon ist der von Hedin besonders wohlwollend genannte Marschall von Bieberstein. Der Freikorpskämpfer hatte sich früh als Hitler-Anhänger profiliert, war beim Marsch auf die Feldherrenhalle dabei gewesen, hatte den Führer in der Feste Landsberg besucht, später wurde er oberster SA- und SS-Führer in Baden. Mühlenweg lernte ihn als fröhlichen Haudegen kennen. Wenn man aber das Übergewicht dieser rechtsextremen Männer unter den Deutschen der Expedition beachtet, muss umso verwunderlicher erscheinen, dass sich Mühlenweg vom Bazillus des Herrenmenschendenkens frei hielt.
Die Konstellation Hedin-Dewall in der Pekinger Verhandlungsrunde im März 1927 hielt keine zwei Wochen. Der Deutsche nahm die chinesischen Unruhen übersteigert wahr, berichtete panisch nach Berlin von einem drohenden Umsturz durch die fremdenfeindlichen Kräfte, er befürchtete sogar einen Krieg und wollte die deutsche Beteiligung an dem ganzen Unternehmen stornieren. Hedin, der gelassenere Kenner der asiatischen Wirren, hat dies verhindert; Chiang Kai-shek, über den er später ein Buch schreiben sollte, war in jenen Wochen gerade dabei, einen kommunistischen Aufstand niederzukämpfen. Hedin forderte nach Dewalls eigenmächtigen Demarchen dessen Rückbeorderung durch die Luft Hansa. Ob Dewall gegenüber Hedin auch mit offen rassistischen Äußerungen ausfällig geworden war, ist ungewiss; in einem Brief zum Jahresende wird er an Mühlenweg über die Zeitungsberichte Hedins schreiben: »Die schmalzige Art des Schreibers hat mich so angewidert, dass mir erneut ein Ekel vor dem Halbjuden aufstieg.«
Mühlenweg erfuhr tief erschrocken von dem Pekinger Streit in den ersten Apriltagen, sein Freund Dewall teilte ihm mit, dass Hedin auch die Entfernung des jungen Rechnungsführers aus der Expedition verlangte, weil er ihn mit Dewalls offen defätistischer Gesinnung identifizierte.
Zwei Wochen später war die innenpolitische Lage wieder ruhiger. Dewall reiste tatsächlich nach Deutschland zurück, hatte aber noch mitbewirken können, dass Mühlenweg nicht seinetwegen auf das Wüsten-Abenteuer verzichten musste. Die Herren der Luft Hansa dachten ohnehin nicht daran, auf ihren Buchprüfer vor Ort zu verzichten. Sie hatten schon aus seinen ausführlichen Berichten aus Peking und Baotou bemerkt, welch überkorrekter und umsichtiger Beobachter für sie im fremden Land tätig war. Dieser Mühlenweg achtete auf Besonderheiten der Landschaft mit einer naturwissenschaftlich geschulten Beobachtungsgabe, hielt den Vorteil von Devisentausch auf dem Schwarzmarkt und Tricks bei der Verzollung ebenso fest wie diverse Kamelpreise, und schränkte auch einen sorglosen Übergriff auf die Lohngelder ein, den Hedin zugunsten seiner schwedischen Begleiter begonnen hatte.

Wir müssen noch einmal zurück. An den Versionen vom Anfang der Beziehung zwischen dem Schweden und dem Deutschen kann illustriert werden, wie sich seine Erzählung der Reise verändert hat.
Mühlenweg hatte den großen Chef noch am Abend seiner Ankunft in Peking kennen gelernt. Der Zufall wollte es, dass jener 19. Februar gerade Sven Hedins Geburtstag war. So konnten der Smoking und eines der drei Frackhemden zum Einsatz kommen, die der Deutsche zu seinem Befremden von Berlin aus hatte mitnehmen müssen. Es wurde ein feierliches Gelage im kleinen Festsaal des Peking-Hotels mit vielen Reden. Der sprachbegabte Hedin bedankte sich auf schwedisch, englisch und deutsch, er hätte es auch noch in einem halben Dutzend asiatischer Sprachen tun können, die er beherrschte.

Im Brief an die Mutter (21. 2.) hält Mühlenweg die erste Begegnung nur kurz fest: »Dr. Sven Hedin, den ich kennenlernte, und der mich lange Zeit über die wirtschaftliche Lage der Expedition unterrichtete, ist ein äußerst liebenswürdiger Mensch, fast zu liebenswürdig, sehr rüstig und von außerordentlicher Lebhaftigkeit.« In dieser einschränkenden Formel "fast zu liebenswürdig" blitzt eine Ambivalenz auf, die sich während der Expedition verstärken wird, und über deren Ursachen man spekulieren darf. Es kann sein, dass Mühlenweg während der langen Anreise von seinem Freund Dewall bereits ein Hedin-Bild mit jenen Vorbehalten bezogen hat, die der Offizier hegte, seit er den Schweden in Berlin traf. Es kann aber auch sein, dass Mühlenweg die überschwängliche Körpersprache Hedins zu viel war, dieser 62-Jährige fasste den 28-Jährigen bei der Begrüßung ausführlich an. Wir erfahren das aus der ersten literarischen Gestaltung dieser Begegnung, die Mühlenweg 12 Jahre später in der Zeitschrift »Der Kulturwart« veröffentlichte, und dann ganz positiv. Für den Maler Fritz Mühlenweg, der 1939 in einem Dorf am Bodensee wohnt und selbst um regionale Anerkennung für seine Bilder noch kämpfen muss, dessen Versuche als Buchautor von Verlagen negativ beschieden wurden, bot Hedin ein marktgerechtes Thema für Veröffentlichungen. In der gleichgeschalteten Presse war der Schwede, der vom Führer hofiert sogar an der Berliner Olympiade gesprochen hatte, wohlgelitten. 1939 erschien Mühlenweg die erste Begegnung mit dem großen Mann wie eine Auszeichnung: »Nachdem die Tafel aufgehoben war, wurde ich Hedin vorgestellt. Er reichte mir beide Hände zu einer überaus herzlichen Begrüßung. Ich war überrascht, ich hatte an eine knappe Verbeugung gedacht und einen konventionellen Händedruck. Hedin schien es zu bemerken. &Mac226;Sie gehören doch zu uns’, sagte er, und legte mir die Hände auf die Schultern. &Mac226;Kommen Sie morgen zu mir ins Hotel. Wir haben vieles und wichtiges zu besprechen.’«
Es gibt noch eine dritte Version dieser ersten Begegnung, mit wieder reduzierten Berührungen. Sie ist verfasst in den frühen 50-er Jahren, als der bereits erfolgreiche Autor Mühlenweg seinen alten Chef kurz vor dessen Tod noch einmal besuchte, in Stockholm. Ich muss sie nicht vorlesen, viele von Ihnen kennen sie unterm Titel »Sven Hedin persönlich« aus der Erzählsammlung »Mongolische Heimlichkeiten«.

»Sie gehören doch zu uns…«: in der wirklichen Expedition dauerte es nur wenige Wochen, bis Hedin die Vorbehalte aus dem Dewall-Skandal überwunden hatte. Der junge Deutsche seinerseits gab sich besondere Mühe. Als aus Peking endlich die Nachricht vom erfolgreichen Abschluss aller Verhandlungen kam, und Hedins Ankunft im Samellager von Batou bevorstand, schrieb er nach Haus an den Bodensee auch endlich von seinen Schwierigkeiten: »Dewall hat sich nämlich mit Hedin verkracht und zwar derart, dass an eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu denken ist. …Leider hätte sein Abgang auch beinah meinen Sturz nach sich gezogen, da Hedin gut weiß, wie eng wir befreundet sind, und von meiner Seite nun vielleicht Opposition oder wie man sagt &Mac226;Passiven Widerstand’ erwartet, was ich natürlich nicht tun werde…Große Freude hat mir natürlich gemacht, dass auf das Telegramm Hedins, dass er mich zurückschicken wollte, Berlin mein Bleiben befürwortet, sehe ich doch daraus, dass sie mit meiner Arbeit zufrieden sind. Ich hoffe nun auch zuversichtlich, dass sich alles bestens macht, sobald Hedin hier ist und wir so auch näher kommen. Allzu nah zwar auch nicht, weil ich nach dem Vorgefallenen … etwas voreingenommen bin. Dass mir diese Sache viel Kummer bereitet hat, werdet Ihr Euch denken können, stand ich doch vor der Tatsache, jetzt an der Schwelle zur großen freien Wüste umkehren zu müssen und als abgebaut beschämt daheim zu landen. Hoffentlich wendet sich alles zum Besten.«

Mühlenweg war ohnehin der Jüngste in der Männerrunde und rangierte neben den Wissenschaftlern und ausgewiesenen Fliegern am Ende der Rangstufen. Auf einem frühen Foto der Expeditionsschar sitzt er noch weit ab am Tischende. Zwar wurde er von Hedin freundlich begrüßt, als dieser am 10. Mai endlich eintraf. Aber noch als das Sammellager in Baotou abgebrochen wurde und die Karawane sich auf den Marsch ins mongolischen Grenzland machte, wurde Mühlenweg an den Schluss des Zugs beordert. Der sensible Mann hatte noch Wochen unter einer Verstimmung zu leiden, die er bei Hedin spürte.
Im letzten Brief an Mutter und Schwester aus Baotou findet sich die Kurzfassung der Reiseroute, wie sie vom Chef Hedin offenbar verlautbart wurde. Man kann an ihr eine Blauäugigkeit beobachten, die mit keinen ernsthaften Schwierigkeiten rechnet. Am 18. Mai sollte es losgehen: »Zuerst geht es dann in nördlicher Richtung an die mongolische Grenze, zu einem Treffpunkt mit unseren Kameleinkäufern, da wir von hier bis dorthin nur mit gemieteten Kamelen reisen. Der schöne Ort heiß Belimiao oder Hallun-Ossu und wird in 6 Tagemärschen erreicht werden. Dort verweilen wir uns auch nur so kurz wie möglich und ziehen dann, wie vorgesehen, gegen den Gaschunoor in der Nähe der untergegangenen Stadt Charachoto vor. Von dort geht es über Hami nach Urumtschi, wo ich viel und gute Post von Euch zu erhalten hoffe. Auch die auf beiliegendem Zettel angegebenen Weihnachtswünsche bitte ich zu erfüllen und baldmöglichst auf den Weg zu bringen. In spätestens 6 Monaten hoffen wir, in Urumtschi zu sein, also Ende Oktober, Anfang November.«

Der Aufbruch aus Baotou wurde dann erst zwei Tage später als geplant möglich. Das Standlager in Hodjir To, wo sie die gekauften Kamele erwarten, schlagen sie nicht am 24., sondern erst am 28. auf und dort bleiben sie dann durchaus nicht »nur so kurz wie möglich«: es stehen ihnen dann über sieben Wochen des Wartens bevor. Ferienzeit, in 21 Zelten, mit der schwedischen Flagge auf Hedins Zelt, einem lebendigen Adler auf der Zeltspitze Marschalls von Biberstein und mit den 12.000 mexikanischen Silberdollars, der einzig akzeptierten Währung des zerrissenen Landes, im Zelt des Rechnungsführers Mühlenweg. Die Archäologen machen eine dreiwöchige Exkursion zum Kloster Belimiao und das Sonnwendfest im Lager wird heftig gefeiert. Am 5. Juli organisiert Mühlenweg einen »Deutschen Abend«. Im Brief nach Hause schreibt er: » (ein Abend), der mit Gesang und Vortrag den Schweden und Chinesen, die allerdings kaum etwas verstanden haben werden, deutsche Dichtung in Vers und Prosa vorführte. Ich selbst hatte eine kleine Lagerzeitung mit lustigen Versen und Zeichnungen herausgebracht, auch einige Kameraden hatten nette Beiträge dazu in heftigem Schweiß geschmiedet, so dass der Hodjir To Bote ein würdiges Format hatte.« Der Konstanzer hatte Mal-Utensilien auf die Reise mitgenommen und entwickelte seine Sprachlust, sogar in der Rolle einer Stimmungskanone. Damals wohl hat Hedin einen Mühlenweg erlebt, der ihm zu gefallen begann. Der Schwede war selbst ein hervorragender Zeichner, war in Literatur und Naturwissenschaften belesen und rezitierte gern Gedichte in mehreren Sprachen, ein universeller Bildungswille. Darin ist er für Mühlenweg zu einem Vorbild geworden, das die Zeit einer wachsenden Animosität überdauerte.
Einer Animosität, die nicht mehr vom Schweden ausging, sondern die Mühlenweg entwickelte aus seiner Beobachtung der Organisationsfehler. Hedin hatte wegen der unsicheren Verhandlungen erst spät den Auftrag zum Kauf der Kamele erteilt, und diese mussten wegen des Bürgerkriegs in weitem Bogen an die mongolische Grenze gebracht werden. Sie waren dann auch zu teuer. Nach der Expedition wird der Rechnungsführer Mühlenweg der Lufthansa dann strikt empfehlen, bei späteren Unternehmungen Kamele überhaupt nicht zu kaufen, sondern nur zu mieten…
Erst im Juli also kamen aus Kalgan und anderen Gegenden die 297 Kamele zusammen, gut genährte Tiere mit fetten Höckern. Über 60 hatte ihnen der Mongoleiforscher Roy Chapman Andrews verkauft, der seine eigene Reise wegen der innenpolitischen Unruhen aufgegeben hatte.
Es waren dann die Kamele, die Fritz Mühlenweg zu einerr fulminanten Bewährung verhalfen. Von da an war er auch in Hedins Augen ein vollwertiges Mitglied der Expedition.

Als die Karawane endlich aufbrechen konnte, am 22. Juli 1927, reagierten die Tiere nach einem Tag mit heftigem Regen und unter der Last der ungewohnten Holzkisten gereizt. Die ersten 200 Lastkamele führte der Herzog Larson, er nahm nur Mühlenweg noch dazu und elf mongolische Kameltreiber. Zu wenig, wie sich herausstellte. Nach wenigen Kilometern kam es zu einem Kamelaufstand, ein paar unruhige Tiere verursachten eine Massenpanik, mehr als die Hälfte der Karawane ging in wildem Galopp in alle Himmelsrichtungen durch. Die Kamele warfen ihre Lasten ab, sie zersplitterten die Holzkisten, sogar der Verlust der Kisten mit Silberdollars musste befürchtet werden. Hedin beobachtete das von fern, machte aber einen fesselnden Zeitungsbericht daraus. In ihm erfuhr die Welt unter anderem, wie beherzt der junge Mühlenweg ins Gewühl geritten war, mit welcher Körperkraft er in mehrstündigem pausenlosem Einsatz einen Großteil der Tiere wieder zurück brachte. In seinem Tagebuch hat Mühlenweg die Episode nicht einmal erwähnt. Was ihm selbst nur ein humorvolle Geschichte in einem Brief wert ist, um die allgemeinen Schwierigkeiten beim Start zu illustrieren, stellt Hedin (»Auf großer Fahrt«, 93f) in dramatischer Ausführlichkeit dar: »Larson sagt, Mühlenweg habe an diesem Tage Wunderwerke verrichtet. Er rettete einen großen Teil der Karawane, doch wenn man von ihm selbst etwas darüber erfahren wollte, lächelte er nur und meinte, er habe nicht viel machen können.«

Mühlenweg wusste, dass Hedins hymnischer Kommentar die mongolischen Kameltreiber aussparte, die wohl den Hauptteil der Arbeit geleistet hatten. Der Rest ist für ihn selbstverständlich: dass er mit Tieren ungewöhnlich gut umgehen kann, ihnen in schwierigen Situationen hilft wie er Menschen hilft, dass er körperliche Strapazen durchhält. Seine Kameraden hatten ihn schon als draufgängerisch-heiteren Gefährten kennen gelernt, der im Vorfeld des Karawanenmarsches lebensgefährliche Klettertouren und lange Ritte wagte, sie werden auch noch erleben, dass er hohe Sanddünen zum Schifahren benutzt und Schneestürme eher genießt als beklagt.
Wichtiger als Hedins Lob war für Mühlenweg die Anerkennung durch den 57jährigen Larson, der seit Jahrzehnten in der Mongolei lebte und arbeitet, der beste Kenner des Nomadenlands im Umbruch. Die beiden verständigten sich auf Englisch. In den Wochen danach teilte sich die Expedition in drei getrennt operierende Züge mit unterschiedlichen Aufgaben, und da war Mühlenweg mit Larson Tag für Tag zusammen bis sie am 23. September am Fluss Edsinggol ankamen. Es waren noch zwei andere Deutsche bei diesem Trupp, aber was den jungen Mühlenweg am stärksten von seinen Kameraden unterschied, war eine Wissbegier und Offenheit, die sich auch den mongolischen Karawanenmännern zuwandte. Schon im März, als er die ersten Kameltreiber Larsons in Baotou kennenlernte, notierte er in seinem Tagebuch: »Die Mongolen sind sympathische Erscheinungen, ein wenig dreckig, aber ganz anders als die Chinesen. Sie schauen trotz ihres Alters munter in die Gegend.« (24. 3. 27). Das Wörterbuch, das er später in seinem Roman den Jungen Christian unter freundlich strenger Anleitung des Mädchens Siebenstern führen lässt, hat Mühlenweg selbst schon in den ersten Wochen begonnen. Er ließ sich insbesondere von dem Mongolen Pantje in Esssitten und Höflichkeitsformen einführen, erweiterte seinen Wortschatz auf mehrere Hundert Ausdrücke und war so auch irgendwann in der Lage, die Erzählungen über den edlen Räuber Dampignak zu verstehen.
Mit dem Mongolen Pantje überstand er im Winter das gefährlichste Abenteuer der Expedition. Hedin hatte die ohnehin schon verspätet operierende Karawane viel zu lange am Edsingol lagern lassen. Viele Kamele waren entkräftet angekommen und schon dort hatten sie heftige Minusgrade erlebt. Erst am 8. November – nach Hedins anfänglicher Planung hätten sie da bereits am Ziel sein müssen – brachen sie auf, wieder in getrennten Zügen. Nach Hami sollten es noch über 600 km sein, am Tag waren 15 bis 20 km zu schaffen. Mühlenweg war nun eigentlich in der Hedin-Gruppe. Nach dem Edsinggol hat er keine Wüstenromantik mehr erlebt: Wochen in den trostlosen Kiesebenen der Gobi, mit salzigen Brunnen, mageren Tamarisken -- schon dürres Derresgras war eine Sensation. Dann Sandstürme, Chinesen, die Wasser stahlen. Die zu knapp bemessenen Vorräte gingen zu Ende. Temperaturen unter 15 Grad. Hedin als einziger hat ein beheizbares Filzzelt und Hedin erzählt von der Takla Makan und dass es dort noch viel schlimmer gewesen sei.

Am 25. November schickte Sven Hedin einen Nottrupp los, der von einem Kaufmannsdepot an der Straße von Hami Reis und Futter für die entkräfteten Kamele holen sollte. Dass es überhaupt einen Kaufmann dort gebe, ist nur aus vagen Gerüchten bekannt, er war dann auch nicht auffindbar. Auf Larsons Rat hin, betraute Hedin mit dieser Aufgabe Mühlenweg, auch weil der Mongolisch konnte. Was Fritz Mühlenweg in den nächsten drei Wochen erlebte, zusammen mit dem Mongolen Pantje und dem Chinesen Tjang, wie sie unter Räuber fielen, die dann doch Soldaten waren, nämlich Grenztruppen aus Sinkiang, die vom Gerücht einer 2000 Mann starken ausländischen Invasionstruppe alarmiert waren, mit Kanonen, nicht einfach mit filzumhüllten Wasserstoffflaschen für Wetterballons…, -- wie sie schließlich, vom 9. Dezember an zu Fuß durch die eisige Wüste flüchteten: diese extreme Survival-Story kennen Sie aus dem Roman, der Erfahrungen aus der wirklichen Expedition am realistischsten verarbeitet hat: "Fremde auf dem Pfad der Nachdenklichkeit". Erst aus Hami konnte er der entkräfteten Hedin-Gruppe Vorräte entgegen schicken. Dass der 62-Jährige inzwischen von seinem alten Gallenleiden eingeholt worden war, und auf einer Trage liegend, mühsam zu Fuß von je 4 Männern der Wüste getragen wurde, erfuhr er zur Jahreswende. Mehr als die Hälfte der Kamele waren inzwischen verendet.
Die Kritik Mühlenwegs an Hedin, die im Augenschein der Organisationsschwächen immer stärker wurde und die er in halb wütenden, halb abschätzigen Sätzen nach Hause weitergab, ist auch bei anderen deutschen Expeditionsteilnehmern nachzuweisen. Der ausdauernd optimistische Selbstinszenierer Hedin, zudem ein Nachtmensch, war eine Strapaze für seine Zuhörer, insbesondere wenn er auf die großschwedischen Machtphantasien seines historischen Idols Karls XII. zu sprechen kam. Spätestens als sie in Hami und dann in Urumtschi mit der Heimatpost Zeitungsausschnitte bekamen, wurde ihnen der Abstand von Hedins habituellem Optimismus zur rauen Wirklichkeit nachprüfbar. In seinen romantisierenden Skizzen erkannten sie die Mühen und Fehlschläge der Fahrt nicht wieder. »Überhaupt nehmt Ihr unsere ganze glorreiche Expedition und das pittoreske Karlchen für viel zu wichtig. Wie gerne würde auch ich zu ihm als einem grossen Mann und Führer aufschauen aber er ist es wirklich nicht, doch das kann man Euch in Deutschland ja nicht glaubhaft machen.«

Als Mühlenweg seine harschen Worte und seine Enttäuschung im März 1928 an Mutter und Schwester schrieb, war er im schlammigen Urumtschi schon mit der Buchhaltung der getrennten Expeditions-Kolonnen beschäftigt. Er realisierte da auch, wie das Unternehmen die Vorgaben der Luft Hansa unterlief. Es war bis dahin nur eine einzige dauerhafte Wetterbeobachtungsstation eingerichtet, am Edsingol, mit dem Deutschen Zimmermann als Leiter. Die allgemeinen Kosten explodierten, weil Hedin schwedische Wissenschaftler mitfinanzieren ließ, die sich für den wandernden See Lop-nor mehr interessierten als für eine deutsche Fluglinie. Zudem war in Urumtschi keine rasche Entscheidung zu erreichen, die der Luft Hansa den Überflug gestatten würde. Für Hedin war das nicht besonders wichtig, er wollte auf Zeit spielen, und verhinderte in jenen Wochen durch eine Intrige beim Herrscher von Sinkiang, dass ein fähiger Konkurrent seiner Erforschung des Wüstensees Lopnor zuvorkommen konnte. Emil Trinkler war im gleichen Jahr 1927 mit seiner Expedition gestartet, war aber durch Russland und vom tibetischen Hochland her nach Sinkiang gekommen. Er musste seine Funde nach einer Intervention Hedins in Urumtschi ausliefern. Trinkler wird in Hedins Buch "Auf großer Fahrt" nicht einmal erwähnt.
Da im Frühjahr 1928 in Berlin die Gelder ohnehin knapp wurden, kam für den Kaufmann Mühlenweg das vorzeitige Ende des großen Abenteuers. Noch im März hatte er wenigstens mit einem weiteren Jahr in der Mongolei gerechnet. Ende Mai 1928 brachte ihn bereits der Sibirienexpress nach Berlin.
Ja, er kam dann noch zweimal in die Mongolei zurück. Die längste Zeit 1931/32, fast anderthalb Jahre als Mitarbeiter des Meteorologen Haude auf einer Wetterstation. Auch am Ufer des Edsinggol, der ihn später zu den schönsten Kapitel seines Romans inspirierte, verbrachte er mehrere Monate. Die verheerenden Auswirkungen der Ostasiatischem Vorkriegszeit waren an Flüchtlingsgruppen selbst in der Flussoase sehen. Er hat damals aber auch um die Weihnachtstage 1931 die erste Zwischenlandung einer W33-Flugmaschine am Edsingol miterlebt. Von Peking her reichte der Sprit gerade bis zum Edsingol, dorthin hatte eine Karawane Benzinfässer beförden müssen. Die W33 brachte ein Tannenbäumchen und flog weiter nach Urumtschi. Schon der nächste Flugzeugtyp hatte so große Tanks, dass er die Strecke ohne Zwischenlandung schaffte.
Auf jener letztenMongolei- Reise malte Mühlenweg schon viel und wurde sich einer künstlerischen Berufung gewiss -- die ermöglichte ihm dann, was eine Reiseerfahrung nur selten bewirkt: eine Veränderung für den Rest des Lebens.
Auch Hedin traf er noch einmal in der Mongolei. Dieses Treffen im Haus des Herzogs Larson in Kalgan im November 1929 war ganz unbelastet von Organisationsproblemen, die Männer sprachen sich eine Nacht lang aus. Oder besser: Hedin sprach eine ganze Nacht lang, inszenierte seinen überwältigenden Optimismus, seinen Erkenntnisdrang und seine literarische Bildung, -- und bewirkte bei Mühlenweg dann einen inneren Umschwung, der ihn den großen alten Mann lebenslang bewundernd sehen ließ. Vielleicht hat er ab da Hedin eher als Künstler gesehen, dessen fabulierender Welterzählung nicht mit Maßen und Gewichten kruder Wissenschaftlichkeit beizukommen war. Zwanzig Jahre später zahlte sich das aus.

1950 bat Fritz Mühlenweg den berühmten Schweden um ein Vorwort für seinen ersten Roman. Das bekam er dann auch umgehend, Hedin schrieb in gewohnter Präzision, wie er Mühlenweg kennen gelernt habe: »während vieljähriger gemeinsamer Wanderungen durch Nordchina, die innere Mongolei, die Wüste Gobi und die Provinz Sinkiang«.
Mein Damen und Herren, dass die beiden eigentlich nie zusammen gewandert sind, wissen Sie inzwischen. Dass sie auch nicht viele Jahre dort waren, wissen Sie nun auch, wenn man genau zählt, hatten sie etwas mehr als ein halbes Jahr gemeinsam. Aber wie uns der weise junge Kompass Berg für solche Fälle beigebracht hat, wenn einer eine verzeihliche Lüge loslässt und es um eine andere Wahrheit geht, gilt auch da: »Du musst dein Herz weit machen.«.

© Libelle Verlag, 2003
Foto: Fritz Mühlenweg (rechts) mit Mongolen in Hami (© Libelle).


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